Liebknecht, Kurt (Otto Wilhelm Curt)

dt. Architekt und Funktionär, * 26.03.1905 Frankfurt am Main, † 09.01.1994 Berlin, Rel.: jüdische Mutter, Mtgl.: SED (1949), Zentralkomitee der SED (1954-63), Sowjet. Bauarbeitergewerkschaft (1931), Betriebsrat des Projek-tierungstrusts Standargorprojekt („2. Maygruppe“), sowjet. Gewerkschaft (1932), sowjet. Architektenverband (1932), Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion (1948), Forschungsrat der DDR, Bund Deutscher Architekten, Deutsche Bauakademie (1951), Präsidium der Urania

 

Kurt Liebknecht 1985

     
   

Ausbildung, Tätigkeit vor 1933:
1924 im Frühjahr Abitur am Wöhler-Realgymnasium in Frankfurt am Main
1924-29 Studium der Architektur an der TU Berlin-Charlottenburg
1927 kurzzeitig Mitarbeiter im Büro von Ludwig Mies van der Rohe
1929-31 Mitarbeiter im Büro von Hans Poelzig
1931 im Februar Weiterbildung an der Preußischen Bau- & Finanzdirektion mit Examen, anschließend 6 Monate als Regierungsbaumeister verantwortlich für den Neubau der Universitätsfrauenklinik in Berlin; im August Emigration in die Sowjetunion, als Vertragsarchitekt tätig in der Krankenhausbaugruppe unter der Leitung von Werner Hebebrand, der sog. „2. Maygruppe“ in Moskau
1932 Tätigkeit innerhalb einer Kommission für Projektierungsnormative des Volkskommissariats für Gesundheitswesen und Leiter des Ausländeraktivs (russ.: Inoaktiv); letzter Besuch in Berlin

Tätigkeit seit 1933, Exilstationen:
1933 letzter Deutschlandaufenthalt in Hamburg; Mitarbeiter in der Projektierungseinrichtung des Volkskommissariats für Verkehrswesen und Verbindungswesen
1938 unter Spionageverdacht verhaftet von der NKWD, verurteilt, nach eineinhalb Jahren Gefängnis freigesprochen
1939-48 wiss. Mitarbeiter an der Allunionsakademie für Architektur in Moskau im Bereich Gesundheitsbau; nach dt. Kriegsangriff auf die Sowjetunion beauftragt mit dem Bereich Projektierung von unterirdischen, med. Einrichtungen in Zusammenarbeit mit der Roten Armee
1941 Evakuierung der Allunionsakademie und ihrer Mitarbeiter nach Tschimkent (Kasachstan); Liebknecht wird zum leitenden wiss. Mitarbeiter der Gruppe Gesundheits- und Sozialeinrichtungen und Mitarbeiter im Bereich Projektnormative für den Gesundheitsbau
1943 Rückführung der Allunionsakademie und ihrer Mitarbeiter nach Moskau
1944 in Moskau, Gespräch zwischen Liebknecht und Wilhelm Pieck über mögliche Teilnahme Liebknechts am Wiederaufbau Deutschlands nach Kriegsende

Tätigkeit nach 1945:
1945 Doktortitel in Moskau; später im Jahr 1945 erhält Liebknecht für die aktive Arbeit im sozialistischen Wettbewerb eine Ehrenurkunde des Präsidiums, der Parteiorganisation und des Betriebsrates der Allunionsakademie für Architektur in Moskau
1946-47 Berlinaufenthalt zur Vorbereitung des endgültigen Aufenthalts Liebknechts in der SBZ, Gespräche über die Gründung einer Bauakademie als Institution für die theoretischen Grundlagen und für den praktischen Wiederaufbau; Ernennung zum stellv. Leiter des Instituts für Bauwesen der Akademie der Wissenschaften zu Berlin (Ost) und zum Sekretär für das Arbeitsgebiet „Gesundheitseinrichtungen“
1948 Rückkehr in die SBZ
1949 Hauptabteilungsleiter für Entwurf in der neugegründeten Hauptverwaltung Bauwesen der Deutschen Wirtschaftskommission; nach Gründung der DDR (07.10.1949) Direktor des Instituts für Städtebau und Hochbau im Ministerium für Aufbau (bis 1951)
1950 Forschungsauftrag zur Analyse poliklinischer Einrichtungen im Lande Brandenburg; im April und Mai Studienreise in die Sowjetunion, Regierungsauftrag zur Gründung der Deutschen Bauakademie
1951-61 Präsident der Deutschen Bauakademie der DDR
1961-63 Leiter des Instituts für Theorie und Geschichte der Deutschen Bauakademie
1964-70 Direktor des neu gegründeten Instituts für Technologie der Gesundheitsbauten
nach 1970 weiterhin tätig in den Gremien der Bauakademie

Bauten/Projekte vor 1933:
Studentenwettbewerb für ein öffentliches Gebäude, Malchin, Deutschland, 1928 (1. Preis)
Krankenhausbauten für Magnitogorsk, Nowokusnezk und Orsk, seit August 1931 (mit Werner Hebebrand)
Internationaler Wettbewerbsentwurf für den Sowjetpalast, Moskau, 1931 (mit Architekt Marinus Gewin)
Internationaler Wettbewerbsentwurf für die Bebauung des linken Scheldeufers, Antwerpen, 1932 (mit Architekt Walter Schwagenscheidt)

Bauten/Projekte 1933-45:
Typenprojektierung mehrerer kleiner Bahnhöfe (einige realisiert)
Apothekenverwaltung und -lager des Volkskommissariats für Verkehrswesen, Moskau, 1936
Kurhotel an der Schwarzmeerküste, 1939 (nicht ausgeführt)
Typenbau für ein Jägerheim der Roten Armee, 1939 (nicht ausgeführt)
Typenbau für eine Kinderkrippe (nicht ausgeführt)

Bauten/Projekte nach 1945:
Musterklinik, Stalingrad (heute: Wolgograd), 1946 (mit L. Woronkow, nicht ausgeführt)
Serie von Landambulatorien, u. a. in Münchenberg, Heckelberg und Geringswalde, 1950
Interner Wettbewerb für ein zentrales Gebäude im Stadtzentrum Berlins, Berlin (Ost), 1961
Krankenhaus, Hoyerswerda, 1962 (mit Dr. med. Erker und den Architekten Sachs und Jänisch)
Ausgestaltung der Abteilung Architektur und Städtebau innerhalb der 5. Deutschen Kunstausstellung, Berlin, 1962
Grundkonzept für ein Krankenhaus, Halle-Kröllwitz, 1966/67 (mit Klemens, Pleuss, Rautengarten, Richau, später als Grundlage für Krankenhäuser u. a. in Suhl, Karl-Marx-Stadt verwendet)

Eigene Schriften (Auswahl):
„Internationale Arbeiterbewegung“, in: Sowjet. Gewerkschaftszeitung, Oktober 1932: 60.
„Deutsche Architekten beim sozialistischen Aufbau“, in: Internationale Arbeiterbewegung, Oktober 1932.
„Gesundheitsbau – Projektierung unter den Bedingungen Mittelasiens“, Moskau 1945.
„Die Bettstation, das wichtigste Element im Krankenhaus“ (Manuskript), Moskau 1947.
„Bau von Ambulatorien und Polikliniken. Dt. Akademie der Wiss. zu Berlin, Institut für Bauwesen, Deutsche Wirtschaftskommission für die sowjetische Besatzungszone – Hauptverwaltung Gesundheitswesen“, Berlin (Ost) 1949.
„Neuaufbau in der Sowjetunion“, in: Bauplanung und Bautechnik, 3/1949: 107 f.
„Der Architekt beim Aufbau“, in: Bauplanung und Bautechnik, 4/1950 (1): 15-17.
„Bebauungspläne in der Sowjetunion“, in: Demokratischer Aufbau, 4/1950: 180 f.
„Entwurfsarbeiten, Entwurfsbüro und Architekten“, in: Planen und Bauen, 4/1950 (4): 112-115.
„Bauten in der Sowjetunion“, in: Planen und Bauen, 4/1950 (8): 250-253.
„Einige kritische Bemerkungen zur Lage im Bauwesen“, in: Planen und Bauen, 4/1950 (9): 280-282.
„Die Sowjetarchitektur – künstlerischer Ausdruck des Aufstiegs zum Kommunismus. Dr. Liebknecht berichtet über die Reise einer deutschen Delegation durch die Sowjetunion, in: Neues Deutschland, 26.01.1951.
„Im Kampf um eine neue deutsche Architektur“, in: Neues Deutschland, 13.02.1951.
„Fragen der deutschen Architektur und des Städtebaus: Referate gehalten anlässlich des 1. Dt. Architektenkongresses in Berlin, Dezember 1951“, Berlin (Ost).
„Die Erfahrung der Sowjetunion bei der kritischen Verarbeitung und Entwicklung des kulturellen Erbes auf dem Gebiet der Architektur, in: Das grosse Vorbild und der sozialistische Realismus in der Architektur und in der Malerei“, hg. vom Haus der Kultur der Sowjetunion, Berlin (Ost) 1952: 5-16.
„Die Aufgaben der Deutschen Bauakademie“, in: Die Aufgaben der Deutschen Bauakademie im Kampf um eine deutsche Architektur“, hg von der Deutschen Bauakademie, Berlin (Ost) 1952: 54-59.
„Deutsche Architektur“, in: Deutsche Architektur, 1/1952: 6-12.
„Hohes oder breites Fenster?“, in: Neues Deutschland, 20.03.1952.
„Zu einigen Aufgaben unserer Architekten und der Entwicklung einer sozialistischen Architektur“, in: Neues Deutschland, 26.07.1952.
„Jetzt schließe ich mit den Architekten Freundschaft“, in: Deutsche Architektur, 2/1953: 156-158.
Handbuch für Architekten, Berlin (Ost) 1954.
Otázky nemecké architektury, Moskau 1954.
„Die neuen Aufgaben im Bauwesen“, in: Deutsche Architektur, 3/1954: 225-227.
„Der IV. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und die Aufgaben der deutschen Architektur, in: Deutsche Architektur, 3/1954: 97-99.
„Die Bedeutung der Unions-Baukonferenz in Moskau für die Aufgaben im Bauwesen der Deutschen Demokratischen Republik“, in: Deutsche Architektur, 4/1955: 50-64.
„Zur Ideologie des sozialistischen Bauens“, in: Deutsche Archi-tektur, 6/1957: 417-419.
„Zum 10. Jahrestag der Gründung der Deutschen Bauakademie“, in: Deutsche Architektur, 10/1961: 591-593.
Technologie im medizinischen Betreuungs- und Versorgungsbereich, Potsdam 1968.
„Als Architekt im Lande Lenins“, in: Deutsche Architektur, 19/1970: 242.
„Zu einigen Fragen des Städtebaus und der Architektur in der UdSSR“, in: Architektur der DDR, 11/1975: 690-692.
„Biographische Skizzen, Episoden – Projekte“, in: Architektur der DDR, 24/1975: 308-311.
„Baupolitik und Bauwissenschaft in den ersten Jahren der DDR“, Berlin (Ost) 1980.
Mein bewegtes Leben, Berlin (Ost) 1986.

Literatur:
BHE I: 445.
Andreas Schätzke, Rückkehr aus dem Exil. Bildende Künstler und Architekten in der SBZ und früheren DDR, Berlin 1999: 129-141.
„Kurt Liebknecht 1905-1994“, in: Bauwelt, 5/1994.
„Kurt Liebknecht zum 65. Geburtstag“, in: Deutsche Architektur: 243.
„Deutsche Architekten in der Sowjetunion während der ersten Fünfjahrpläne und des Vaterländischen Krieges“, in: Zeitschrift der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar, 29/1983 (2): 121-140.

Stiftung/Museum/Nachlass:
Archiv der Akademie der Künste Berlin (noch nicht erschlossen)

Bearbeitet von Antonela Saravanja

 

Internationaler Wettbewerbsentwurf für den Sowjetpalast, Moskau, 1931

 

Krankenhaus, Nowokunezk, 1931, Ansicht

 

Krankenhaus, Nowokunezk, 1931, Stationsgrundriss

 

Apothekenverwaltung und -lager des Volkskommissariats für Verkehrswesen, Moskau, 1936, Ansicht

 

Apothekenverwaltung und -lager des Volkskommissariats für Verkehrswesen, Moskau, 1936, Grundriss