Bildlichen Neuinterpretationen tradierter Motive sowie christlicher und klassisch-antiker Texte lassen die Künstler Albrecht Altdorfer, Hans Mielich und Hans Baldung Grien als Protagonisten eines Modernisierungsschubs erscheinen, der die Kunst der Spätgotik nachhaltig ergriff. »Emsiges Nachsinnen«, »geistreiche Invention«, »tiefsinniger Verstand«, so rühmte Joachim von Sandrart in seiner Teutschen Academie der Bau-, Bild- und Mahlerey-Künste 1675 Namen und Kunst Altdorfers, stand dieser doch an der Schwelle zu einem neuen Epochenverständnis.

2011 war Altdorfer Forschungsgegenstand eines internationalen Symposiums [pdf -->] das gemeinsam mit Christoph Wagner in Regensburg veranstaltet wurde, und 2012 Thema eines monographischen Tagungsbandes, in dem die  überkommene ahistorische Konstruktion einer wie auch immer zu fassenden »Donauschule« verabschiedet und dafür der originelle Maler, Zeichner und Grafiker, Baumeister und Diplomat Altdorfer in den Fokus gerückt wurde.

Hans Baldung Grien ist seit 2016 Forschungsgegenstand und wurde in Zusammenarbeit mit Dr. Holger Jacob-Friesen in Seminaren thematisiert und in einer internationalen Tagung [pdf -->] und der Großen Landesausstellung Baden-Württemberg 2019 [Bericht SWR 2] // [Bericht FAZ] einem breiten Publikum erneut ins Gedächtnis gerufen: Durch seine Herkunft aus einer Gelehrtenfamilie und seine lebenslange Teilhabe an einem weitgespannten intellektuellen Netzwerk darf Baldung als Vertreter des im zeitgenössischen Kunstdiskurs präsenten pictor doctus gelten. Allerdings ist er ein gelehrter Maler ohne eigene Texte. Seine kunstreflexiven Äußerungen finden sich allein in seinen künstlerischen Arbeiten, der Stift des Schreibers wird ihm zum Pinsel oder zum Silberstift, der keine Korrekturen zulässt. Das »Faszinosum Baldung« entsteht aus dem fortdauernden Versuch, sein Werk verstehen zu wollen; aus den mitunter fehlschlagenden Lektüreprozessen, die sich in den hermeneutischen Bahnen klassischer Bilddeutung bewegen. Der semiotische Blick aber gleitet an ihm ab und wird immer neu auf das zurückverwiesen, was nur zu sehen, nicht aber zu lesen ist: die fremde Erscheinung der Bilder, die eine Herausforderung bleiben. Deshalb muss nach dem Status seiner Werke an der Epochenschwelle von Spätgotik und Renaissance gefragt werden, mithin nach dem komplexen Zusammenspiel von theoretischer Reflexion und künstlerischem Praxiswissen, das die Kunst um 1500 prägt.

Laufende und abgeschlossene Dissertationen aus diesem Forschungsprojekt:

  • Judith Rehermann M.A., „Hans Baldung Grien: Lot und seine Töchter, um 1535/40“;
  • Dr. des. Gerald Dagit, Hans Mielich und die „gefräßige Zeit“. Vergessene Bilder der Münchner Spätrenaissance (Erstgutachten: Prof. Dr. Christoph Wagner, Universität Regensburg), 2020.