Am Ende der Nachahmungsästhetik formiert sich die Gattung des Landschaftsbildes neu. Gerade mit den Versuchen, bildnerische Äquivalente für erfahrene Erscheinungsmomente der Natur zu entwickeln, vollzieht die Kunst nach 1800 eine Reorganisation ihrer pikturalen Mittel. Das Kunstwerk muss die Natur auf Strukturen prüfen, die ihr im Bild Dauer und Gegenwart verleihen [pdf -->]. Wird so die Abbildfunktion abgelöst zugunsten von Ordnungsprinzipien, welche die zweidimensionale Fläche erfordern, treibt allein das Bild die Landschaft hervor – mit Hilfe seiner ureigenen, da visuellen Mittel. Malerei, die Naturphänomene einzufangen suchte, eignete um 1800 ein ausgeprägter Experimentalcharakter. Verstand etwa Constable seine Landschaftsbilder als ein Zweig der Naturphilosophie, wuchs seiner Malerei der Status einer neuen, piktural gegründeten Wissenschaft zu: Denn dieser Chronist der Natur erhob den Anspruch, seine Bilder seien mehr als nur Darstellungen exakter Naturbeobachtungen. Vielmehr dienten ihm die Naturstudien als Mittel zur Reflexion abstrakter Naturgesetze – wohlwissend, dass diese Natur bereits unter Druck geraten war. Nicht allein die Konfrontation natürlicher und artifizieller Kräfte, die zeitgleich Turner als »chemische Hochzeit« der alten Elemente Feuer und Wasser in seiner Malerei inszenierte, veränderte das Naturverständnis. Es sind Phänomene der Verunreinigung und Verschmutzung, auf welche die Kunst reagiert [pdf -->], die Spuren der Industrialisierung, die als eine Umweltgeschichte der Künste lesbar wird.

Reinhart

Prof. Dr. Oliver Jehle: Johann Christian Reinhart - Landschaft mit Biss