Bildschirmfoto aus Michael Shamberg: A Media Primer, 1970, ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, ©Raindance Foundation

Bildschirmfoto aus Michael Shamberg: A Media Primer, 1970, ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, ©Raindance Foundation
   

 

Hippies, Yippies und Portapaks: Gegenkultur in der frühen Videokunst

Forschungsseminar zu Videoarchivbeständen des ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe in Zusammenarbeit mit ZKM | Wissen

Wintersemester 2020/21

Seminarleitung: Dr. Barbara Filser

Seminarteilnehmerinnen: Clara Dauzenroth, Danica Detelić, Christina Dürr, Sarah Gewiß, Lara Merz

mit Unterstützung durch Margit Rosen, Felix Mittelberger, Dorcas Müller, Hartmut Jörg (ZKM Karlsruhe)

Die Arbeit an der wissenschaftlichen Erschließung des Videoarchivs der Raindance Foundation durch eine Gruppe Studierender, die in Zusammenarbeit mit dem ZKM im Sommersemester 2020 mit dem Seminar zum Video-Wissen ihren Anfang genommen hatte, wurde im Wintersemester 2020/21 in neuer Zusammensetzung und mit anderem thematischen Schwerpunkt fortgesetzt. Erneut war die Aufgabe, eine Auswahl von Videomaterial zu sichten, das Gesehene zu identifizieren sowie Orte, Ereignisse und Protagonist*innen zu recherchieren. Die Ergebnisse sind in Beschreibungen und biografische Abrisse eingegangen, die in die Videodatenbank des ZKM eingepflegt wurden.

Der Fokus lag im Wintersemester 2020/21 auf der sogenannten counterculture der 1960er- und 1970er-Jahre in den USA, die mit der Auflehnung gegen autoritäre Strukturen, dem Eintreten für Bürgerrechte, Protest gegen den Vietnamkrieg, Streben nach alternativen Lebensformen, Einsatz für den Umweltschutz oder der Revolutionierung sexueller Moralvorstellungen in die beginnende künstlerische Arbeit mit dem Medium Video – besonders US-amerikanischer Videokollektive und -gruppen – hineingewirkt hat. Bearbeitet haben die Seminarteilnehmerinnen vor allem Aufnahmen einer Veranstaltung, die von einem der damaligen Mitwirkenden als „elite Woodstock“ beschrieben wurde: der Alternative Media Conference, die vom 17. bis zum 20. Juni 1970 in Plainfield, Vermont, stattfand. Auf dem dortigen Campus des Goddard College versammelten sich Macher*innen von underground newspapers, von FM-Radio-Programmen und aus der Musikbranche sowie Mitglieder von Videogruppen wie Raindance, den Videofreex und Ant Farm, um an Workshops und Diskussionsrunden teilzunehmen, Vorträgen, wie demjenigen des spirituellen Lehrers Baba Ram Dass, zuzuhören, sich gegenseitig kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen, die zum Teil lange Jahre Bestand haben sollten. Darüber hinaus traten Bands und musikalische Solokünstler auf und in den Abendstunden wurden mitgebrachte Videobänder auf einer von den Videofreex aufgebauten aufblasbaren Leinwand in Form eines überdimensionierten Fernsehbildschirms gezeigt.

 

 

Video-Wissen. Künstlerische Medienforschung in der frühen Videokunst

Projekt-Seminar im Rahmen von KIT-LehreForschung-PLUS in Zusammenarbeit mit der Abteilung Wissen – Sammlung, Archive und Forschung des ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe

Sommersemester 2020

Seminarleitung: Dr. Barbara Filser

Seminarteilnehmerinnen: Christina Dürr, Kathrin Kuna, Anna Hosseini, Lara Merz, Carina Proß, Caragh Sheehan

mit Unterstützung durch Margit Rosen, Felix Mittelberger, Hartmut Jörg, Andreas Brehmer (ZKM Karlsruhe)

Zu Beginn der 1970er Jahre wurden von Videoschaffenden Forderungen nach einer vollkommen neu zu konzipierenden Vermittlung und Produktion von Wissen laut, die dem gerade angebrochenen Medienzeitalter angemessen wäre. Ausdrücklich formuliert wurde dieses Anliegen etwa von einer der US-amerikanischen Videokollektive jener Jahre, der Raindance Corporation, im 1971 erschienenen Handbuch Guerrilla Television. Mittel und Medium dieser Wissensrevolution sollte Video sein, dessen Möglichkeiten – erweitert durch die Entwicklung mobiler, tragbarer Systeme – jedoch erst noch ausgelotet werden mussten, und das nicht zuletzt in der künstlerisch-praktischen Arbeit mit dem Medium selbst. Gearbeitet wurde also auch an der Produktion eines Video-Wissens – eines Wissens über Video, das in Videos zutage tritt.

Die Seminarteilnehmerinnen analysierten ausgewählte Videos, um Beispiele für ein solches Video-Wissen und dessen Produktion ausfindig zu machen. Die Abteilung Wissen des ZKM hält umfangreiche Bestände zur Raindance Corporation (Video-Archiv der Raindance Foundation) und einzelner ihrer Mitglieder (Paul Ryan, Ira Schneider). Gearbeitet wurde im Seminar an Videomaterial der Jahre 1970 und 1971 aus diesem Fundus, das in erster Linie wissenschaftlich zu erschließen war. Aufgabe war, die Videos inhaltlich zu beschreiben und die Einträge der Archivdatenbank entsprechend zu ergänzen. Ausgehend von den äußerst knapp gehaltenen Beschriftungen auf den Bändern und deren Boxen wurden weitreichende Recherchen unternommen, um die aufgenommenen Ereignisse und deren Signifikanz, gegebenenfalls auch Daten, Orte und Protagonist*innen der Aufzeichnungen zu identifizieren sowie in manchen Fällen auch den Status – bearbeitetes Band oder unbearbeitete Aufzeichnungen – des vorliegenden audiovisuellen Materials einzuschätzen. Herangezogen wurden dazu unter anderem die von der Raindance Corporation herausgegebene Zeitschrift Radical Software, veröffentlichte Interviews mit Videoschaffenden der ersten Stunde, zeitgenössische Berichte in Zeitungen und Zeitschriften, Fotografien, Filme und Videos jener Jahre sowie von Archiven online zur Verfügung gestellte Dokumente und wissenschaftliche Beiträge zu Ereignissen wie dem ersten Earth Day und dem Kent-State-Massaker (beide 1970). Die Ergebnisse dieser Recherchen sind in Sichtungsprotokolle und kurze beschreibende Texte eingegangen, die in die Videodatenbank des ZKM eingepflegt wurden.

Das Seminar „Video-Wissen. Künstlerische Forschung in der frühen Medienkunst“ wurde im Rahmen des arch.lab durchgeführt, einem Teilprojekt zur Förderung forschungsorientierter Lehre unter dem Dach von KIT-LehreForschung-PLUS. Die Lehrveranstaltung erlaubte ein praxisnahes Arbeiten auf dem Feld kunst- und medienhistorischer Forschung mit verwertbaren Ergebnissen, das den Teilnehmerinnen zudem Einblicke in das Betätigungsfeld des Archiv- und Sammlungswesens gewährte. Ein Bericht ist im Rahmen der Reihe arch.lab.docs #3 erschienen und hier als PDF-Datei abrufbar.

Die Arbeit an den genannten Beständen zusammen mit Studierenden wurde im Wintersemester 2020/21 unter dem Titel „Hippies, Yippies und Portapaks: Gegenkultur in der frühen Videokunst“ fortgesetzt mit einem Schwerpunkt auf der sogenannten counterculture der 1960er und 1970er Jahre als zeitgeschichtlichem Hintergrund und Gegenstand der frühen Videokunst in den USA.